19 Pieces of Teaching Advice

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Als Einstimmung auf den Kurs zum Anleiten von Impro-Workshops und -Proben haben wir – Nadine Antler (Improvisationstrainerin & Theaterpädagogin) & Christoph Röseler (Bildungswissenschaftler & Dozent für Pädagogik) – 19 Pieces of Teaching Advice rund um das Anleiten von Impro-Workshops erarbeitet. Urspung dafür war ein Artikel von Paul Bloom, Professor für Psychologie in Toronto, der zu Beginn jedes Semesters für angehende Professor*innen Tipps aus seinem Unterrichts-Dasein weitergibt.

(Wenn zwei Teaching-Nerds zusammensitzen und sich die Köpfe über das Anleiten von Improvisation, Kreativität und Theater heiß reden, dann wird ordentlich gestritten und um jede Überschrift und jeden Ratschlag gefeilscht. Und so kann unser Teaching Advice immer nur Work in Progress sein, etwas, was man bei jeder erneuten Diskussion doch nochmal anpassen muss.)

Lehrpersönlichkeit

1. Enthusiasmus & Playfulness
When you’re in class, you should act like there’s no place in the world you’d rather be. Enthusiasm is infectious – it makes your audience perk up, enjoy the material more, like you more, and learn more.

In der Improvisation gehören Playfulness und Enthusiasmus gewissermaßen zur DNA unseres Tuns. Ich kann nicht Playfulness (oder auch Risikofreude) einfordern und sie selbst als Lehrperson im Unterrichten nicht vorleben. Denn Spirit des Unterrichtens und der Inhalt müssen zusammenpassen.
Aber: Wie stelle ich das her, wenn ich es nicht fühle?
–> Unterrichte, was dich selbst begeistert. Wenn es dich nicht begeistert, frag dich: Wie kannst du es für mich interessant machen?

2. Confidence & Verletzlichkeit
Act as if you know your shit. Act as if you’ve done this a hundred times before. This will reassure the students that they’re in good hands and they’ll learn better.

Du hast dich gut vorbereitet, also vertrau darauf, dass du deinen Teilnehmer*innen etwas geben kannst. Es geht dabei um einen hohen inneren Status, der dir ermöglicht, sowohl den Gruppenprozess voller Selbstbewusstsein in die Hand zu nehmen und dich trotzdem verletzlich zu zeigen. Frühes, gemeinsames spielerisches Scheitern (dich als Lehrende*r inbegriffen) ist Kitt der Gruppe  und ermöglicht gemeinsames kreatives Arbeiten mit interessanteren Ergebnissen. Teile deine Struggles (aber bürde sie deinen Teilnehmer*innen nicht auf). Übernimm Verantwortung für dich und deine Teilnehmer*innen.

–> Es geht um die gekonnte Balance von Souveränität und Verletzlichkeit je nach der sich bietenden Situation. Eins der Schlüsselelemente dabei ist: Kenne deinen Status mit der entsprechenden Gruppe! Wird dir sowieso schon Vertrauen entgegengebracht oder musst du dir deine Credibility noch erarbeiten?

3. Sei du selbst & sorge für dich!
Jede*r hat Stärken. Unterrichte auf eine Art und Weise, die dir entspricht. Du musst nicht lustig sein, wenn das nicht dein Ding ist. Kühl und fesselnd geht auch. Oder Zen-like, engagiert, nahbar, vertrauensvoll, charmant-scherzend – es gibt viele Wege, gut zu unterrichten. Bewahre dir deine Integrität.

Frag dich, was du brauchst, um fokussiert zu sein und zu bleiben. Eine kurze Pause? Eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken? Deine Teilnehmer*innen etwas kennenzulernen? Sorge dafür, dass du aus einem inneren hohen Status heraus agieren kannst. Vermeide es, in verteidigende oder aggressive Untertöne zu verfallen. (Drohen, Manipulieren, Gestresstes Sprechen …) Die Chance stiegt, dass deine Teilnehmer*innen dann das Vertrauen in dich verlieren.

4. Lerne von deinen Teilnehmer*innen!
Du bist selbst immer auch Lernende*r und kannst selbst in jeder Session etwas dazulernen. Mach dir Notizen über neue Erkenntnisse! Arbeite an dir und deiner Vorbereitung. Bilde keine zu starren Routinen aus und lass dich verändern.

5. Sei loyal!
Quote your teachers! Das gibt den Teilnehmer*innen die Chance, an etwas für sie Relevantem dranzubleiben und mit jemand anderem tiefer einzusteigen oder Fragen zu klären. Und es gibt deinen Lehrer*innen Credit für deren Arbeit, auf die du aufbaust.


Strukturierung des Inhalts

6. Vorbereitung
Vorbereitung ist die Basis. Plane Material für zehn Kurse statt einem, damit du genug Material hast und improvisieren kannst.
Sei trotzdem bescheiden in dem, was du willst und setze deine Ziele nicht zu hoch!
Achtung: Gute Vorbereitung kann viel Zeit fressen. Beachte deshalb Opportunitätskosten und sinkende Erträge in Relation zu deiner Vorbereitung und baue auf deine Erfahrungen auf.

7. Struktur und Fokus
Die Welt ist komplex. Immer. Das hat aber in der Lehre nichts verloren. Hier geht es um eine klare Struktur und den Fokus auf eine bestimmte Fragestellung oder ein Anliegen, dass du verfolgst. Je klarer du das Thema entfaltest, desto besser können deine Teilnehmer*innen folgen. Was ist das Thema?

Was ist der Blickwinkel, unter dem du das Thema betrachten möchtest? Ist es der Apfel als ein Produkt der Agrarwirtschaft, als ein gesundes Nahrungsmittel im Alltag oder als ein Symbol der christlichen Theologie? Übersetzt in unsere Welt: Schauen wir uns Emotionen unter dem Blickwinkel des Storytelling an oder der Veränderbarkeit von Figuren oder als Charaktereigenschaften?

8. Empfängerperspektive & Didaktische Reduktion
Alles, was du tust, muss sich von den Lernenden her ableiten lassen. Welche Bedeutung hat das, was ich lehre, für die Lernenden? Folge ich dem logischen Leitfaden aus ihrer Perspektive? Dabei sind Lehren und Lernen nicht unbedingt synchrone Prozesse. Lernen kann jederzeit passieren, nicht selten erst nach dem Kurs. Du kannst es nicht garantieren, du kannst nur möglichst gut darauf hinarbeiten.

Lehren erfolgt dagegen linear. Lege dir eine fachliche Landkarte an und wähle aus dieser deine Lerninhalte aus (Stoffreduktion). Dabei ist zu empfehlen, nicht in die Vollständigkeitsfalle zu tappen. Stattdessen: Was ist wesentlich für die Teilnehmer*innen? Hilfreich ist auch das Bild einer Grundlandschaft und Tiefenbohrungen. Was sind wichtige Konzepte, um den Gesamtkomplex zu überblicken? Und dann: An welchen dieser Stellen müssen wir in die Tiefe gehen und uns das genauer ansehen? Wo braucht es Übung und Wiederholung?

Vereinfache dann das, was du anschauen möchtest (Inhaltsreduktion —> Artikulation). Mach es so einfach, dass es für deine Teilnehmer*innen gut fassbar ist, aber nimm sie an diesem Punkt ihres Lernens trotzdem ernst.

9. Artikulation: die Gliederung des Unterrichts zum Zweck des Lernens
Du bist die Person, die den Rahmen gibt. Deshalb mach dir klar, was du tust. Was steht wann an? Gliedere deine Kommunikation, deine Inhalte, die Methoden und Materialien, mit denen du arbeitest, die Beispiele, die du teilst, die Zeit und einfach alles drumherum nach Maßgabe dessen, was für die Teilnehmer*innen lernförderlich ist. Vergiss nicht: Du darfst (und musst) sie auch fordern.


Didaktische Methoden
 

10. Vielfalt
Mix it up. Don’t just do the same thing over and over again, throw in some variety. Variety is the cure for boredom. Es gilt gleichzeitig aber auch: Überfordere deine Teilnehmer*innen nicht mit Methodenvielfalt um der Methoden willen. Die entscheidende Frage ist, was dient dem Ziel? Du musst nicht jedes Mal fancy sein und neue Dinge probieren. Wenn etwas gut funktioniert und du dein Ziel damit erreichst, dann baue darauf. Die Teilnehmer*innen wissen dann, dass das bei dir zu erwarten ist und können sich darauf einstellen.

Suchst du dir für deine Übungen eher Freiwillige oder weist du Übungen gewisse Personen zu? Beides hat Vor- und Nachteile. Es ist gut, wenn sich die Teilnehmer*innen selbst überwinden müssen und sie eine gute Grundenergie für das Betreten Bühne erlernen (Keith Johnstones „Monkeys in the Cage“-Bild). Andererseits gibt es Dynamiken, in denen immer die gleichen auf die Bühne stürmen. Ziehen sich Personen zurück? Drängen bestimmte Personen immer nach vorne? Wer ist müde? ( —> Siehe „Lies deine Teilnehmer*innen) Dann kann es sinnvoll sein, auch mal gezielt einen Anschub zu geben. Auch hier ist Vielfalt nützlich, um nicht in starre Muster zu verfallen.

11. Keep it simple!
One thing at a time. Auch, wenn ich später auf eine Übung aufbauen will, gebe ich nur die Information, die die Teilnehmer*innen jetzt gerade brauchen. Worum geht es jetzt im Moment? Was ist das Ziel und was müssen wir dafür tun? Formuliere deine Aufgabenstellung so klar wie möglich, lasse Informationen weg, die die Teilnehmer*innen jetzt noch nicht brauchen. Überhaupt ist Weglassen der beste Weg, um  Klarheit zu erreichen. (—> Didaktische Reduktion) Willst du die Teilnehmer*innen in den Kopf bringen oder dazu, den nächsten Schritt zu tun?

Sei bei deinen Anweisungen deutlich in deiner Körpersprache. Wem oder was gibst du mit deinen Blicken und Gesten Fokus? Ist die Aufgabenstellung klar? (Wenn nicht —> Lies deine Teilnehmer*innen!) Wenn deine Teilnehmer*innen dich nicht verstehen, dann nimm immer die Verantwortung dafür zu dir!

12. Sei spezifisch und konkret!
Nutze Beispiele und Geschichten zum Illustrieren des Lehrinhalts. Beispiele sorgen dafür, dass deine Inhalte anschlussfähig bleiben. Rufe dir die exemplarische Bedeutung dessen, was du lehrst, ins Gedächtnis. Wofür steht das? Was lässt sich daran zeigen? Was folgt daraus? Wofür ist das im Alltag und auf der Bühne für mich bedeutsam?


Interaktion mit den Lernenden 

13. Vor der Show ist Teil der Show
Get there early! Sprich mit denen, die auch schon da sind. Geh in den Kontakt, bevor du startest. John Turner unterrichtet im Clowning als Anweisung für den Showbeginn: „Atme dein Publikum ein!“ Nicht anders ist es vor einem Workshop. Nimm dir Zeit für Technik und Material – das ist nicht die Zeit, in der du die Leute begrüßt. Deshalb plane extra Zeit für deine Vorbereitung ein. Es ist vielleicht nicht immer nötig und möglich, Zeit für das Miteinander vor dem Workshop zu haben, aber sei dir zumindest dessen bewusst, was du tust und welchen ersten Eindruck du vermittelst, denn es setzt den Ton für die Arbeit miteinander.

14. Komm schnell ins Tun!
Die Gefahr ist hoch: Je mehr du am Anfang redest, umso verkopfter werden deine Teilnehmer*innen. Deshalb ist es oft von Vorteil, spielerisch ins Thema zu starten und nach und nach die thematischen Zusammenhänge offenzulegen, wenn sie die Teilnehmer*innen – im besten Fall – selbst entdecken (= induktives Vorgehen). Hast du Sorge, etwas Wichtiges dabei zu vergessen? Von Shawn Kinley haben wir gelernt, dass es manchmal sogar ganz gut ist, Übungen nicht ganz genau zu erklären. Es kann sein, dass die Schüler*innen bessere Übungen erfinden als die, die du ihnen geben wolltest. (Wenn du die entsprechende Stimmung im Raum dafür schaffen kannst.)

Frag zu Beginn lieber nach Erwartungen, nicht unbedingt nach Erfahrungen. Denn in der Regel willst du wissen, was die Teilnehmer*innen von dir wollen. Wäge gut ab, ob du die Infos über die Vorerfahrung wirklich brauchst. Denn es kann schnell das Fass öffnen, sich beweisen zu müssen. Lieber schnell ins Tun kommen und dabei sehen, was die Teilnehmer*innen mitbringen und was nicht.

15. Hole alle mit ins Boot!
Achte darauf, dass jede*r sprechen kann. Gerade am Anfang sollte jede*r die Möglichkeit haben, sich zumindest ganz kurz zu zeigen. Hör aufmerksam zu und beziehe dich darauf. Wer verschwindet im Laufe des Workshops aus deinem Blickfeld? Wer zieht sich zurück? Beziehe alle mit ein!

Jede Frage deiner Teilnehmer*innen ist mindestens erstmal „interessant“ (auch wenn sie es nicht ist). Lass deine Teilnehmer*innen nicht dämlich aussehen. Und habe Mut, nicht alles wissen zu müssen. „Gute Frage – da muss ich nochmal drüber nachdenken.“ zeigt Fehlbarkeit und Verletzlichkeit und schafft Integrität. (—> Verletzlichkeit)

Nicht alle Fragen brauchen jedoch viel Raum. Will sich jemand gerade in alle Richtungen absichern? (Und sich damit einen Teil der eigentlichen Lernerfahrung nehmen?) Oder sich profilieren? Hier gilt es abzuwägen, welche Antwort der Gruppe am ehesten zugute kommt.

16. Lies deine Teilnehmer*innen & Teach what they need!
Einer der wichtigsten Punkte: Praktiziere die Fähigkeit, die Stimmung im Raum und deiner Teilnehmer*innen lesen zu können und passe deinen Plan an! (Daher auch die umfangreiche Vorbereitung.) Keith Johnstone war Meister darin: „Don’t fully know what you are going to teach. Allow yourself to be distracted, if something else seems more important.“

Achtung: Unverständnis und Widerstand äußern sich meist erst mal nicht laut. Achte auf „den starren Blick“, wenn du z.B. fragst, ob alle etwas verstanden haben oder ob das Vorgehen für alle ok ist

17. Öffne den Raum!
Öffnest du den Raum für positives Scheitern, fürs Experimentieren und Ausprobieren oder schließt du ihn? Erlaubst du Widerstände oder drückst du sie weg? Je früher du Widerstände aufgreifen und ans Licht bringen kannst, um so weniger Raum haben sie, im Dunkeln zu wachsen. Wenn Widerstand (oder Unverständnis) im Raum ist, kannst du das an der – meist angespannten – Energie und der Zögerlichkeit der Teilnehmer*innen erkennen. Wenn es möglich ist,  mach den Widerstand sichtbar, damit du damit umgehen kannst. Wie? Sei mutig und frage nach! Voraussetzung dafür, dass du tatsächlich eine ehrliche Antwort bekommst, ist es, die psychologische Sicherheit dafür schaffen, gefahrlos zu äußern, was gerade los ist.

18. Nutze deine Machtposition nicht aus!
Als Lehrende*r bist du in einer ‚position of power‘. Teilnehmer*innen kommen zu dir, um etwas zu lernen. Don’t abuse it! Dein Kurs zu XY ist nicht der Ort für deine Meinung zu Elon Musk oder Game of Thrones. Stick to your content. Be a fucking professional!


It is not about you!

19. Unterrichte, um zu unterrichten!
Es gibt viele ‚rewards of being a good teacher‘, eine davon ist Anerkennung. Das kann sich gut anfühlen, doch zu viel Fokus darauf, wie die Teilnehmer*innen dich sehen, kann deine Prioritäten verschieben. Man kann unterrichten, um zu unterhalten oder zu beeindrucken, anstatt zu unterrichten und die Teilnehmer*innen ins Zentrum zu stellen. Manchmal geht das zusammen, aber nicht immer.

Nadine Antler & Christoph Röseler, April 2025

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